Beginnerfragen bezüglich Transformatoren und Induktivitäten im Allgemeinen (Blindwiderstand und co.)

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skudo
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Beginnerfragen bezüglich Transformatoren und Induktivitäten im Allgemeinen (Blindwiderstand und co.)

Beitrag von skudo »

Nun, da ich es zum ersten mal hingekriegte einen funktionierenden Boost-Converter zu bauen, habe ich mir jetzt vorgenommen ein Schritt weiter zu gehen und mich mit Trafos zu befassen.
Vorweg kurz: Mein gesamtes Wissen ist selbst beigebracht und daher kann es einige Missverständnisse meinerseits geben. Bitte mir nicht übel nehmen :)

Meine erste Frage zu Trafos geht um den Blindwiderstand der Primärspule. Ich verstehe bereits die Herleitung der Formel bei sinusförmiger Wechselspannung.
Jedoch begreife ich nicht was der Blindwiderstand bei rechteckigen Signalen beträgt. Ich habe oft gelesen, dass das Problem der Herleitung damit zu tun hat, dass ein Rechtecksignal (unendlich?) viele Harmonien hat. Bedeutet das, dass es bei der Art von Wechselspannung keinen Blindwiderstand gibt?!

Zusätzlich frage ich mich auch wie genau die Frequenz für den Trafo gewählt wird. Ich glaube das hat etwas mit Schwingkreisen zu tun? Aber ich habe nie einen Kondensator an der Sekundärseite eines Trafos gesehen daher frage ich mich was genau die Resonanzfrequenz (falls es die hier gibt) bestimmt. Mir ist experimentell häufig aufgefallen, dass alle Trafos nur in einem bestimmten Frequenzbereich am besten funktionieren. Hat die Frequenz vielleicht doch was mit dem Blindwiderstand zu tun?

Vielen Dank für die Hilfe!
Skudo
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Multi-kv
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Re: Beginnerfragen bezüglich Transformatoren und Induktivitäten im Allgemeinen (Blindwiderstand und co.)

Beitrag von Multi-kv »

Ich bin zwar nicht der Experte für dieses Thema - da gibt es Leute mit viel mehr Ahnung von dieser Materie - aber der induktive Blindwiderstand hängt direkt linear mit der Frequenz zusammen und wird ausschließlich über Frequenz und Induktivität der Spule/des Trafos bestimmt: Xl = wL, wobei w die Kreisfrequenz = 2 Pi * f ist.
Dies gilt für eine ideale Spule (und ich glaube sinusförmigen Wechselstrom). Bei Rechtecksignalen wird die Berechnung komplizierter, dürfte näherungsweise aber im ähnlichen Bereich liegen, vermutlich generell höher.

Die "optimale" Frequenz für einen Trafo oder Spule mit Eisenkern/Ferrit etc. ergibt sich rein aus dem verwendeten Material und deren Verlust bei Ummagnetisierung. Normale Netztrafos sind für 50 bzw. 60 Hz optimiert, während Ferritkerne bis zu vielen MHz betrieben werden können. Im GHz-Bereich gibt es vermutlich kaum geeignetes Kernmaterial, deswegen sieht man da meist nur Luftspulen. Entsprechend der Formel oben steigt bei zunehmender Induktivität und Frequenz der Blindwiderstand immens.
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kilovolt
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Re: Beginnerfragen bezüglich Transformatoren und Induktivitäten im Allgemeinen (Blindwiderstand und co.)

Beitrag von kilovolt »

Hallo skudo

Für ein ideales Rechtecksignal lässt sich kein eindeutiger Wert für den Blindwiderstand angeben. Dies deshalb, weil ein ideales, periodisches Rechtecksignal theoretisch aus unendlich vielen Oberwellenanteilen besteht und dabei also auch unendlich viele, überlagerte Sinusschwingungen berücksichtigt werden müssten.

Man kann das Ganze aber auch im zeitlichen Bereich betrachten. Die Induktivität stellt einer Spannungsänderung immer einen Widerstand entgegen. Bei Anlegen einer Spannung fliesst erst verspätet ein Strom. Ebenso wird bei Unterbrechung der Versorgungsspannung durch Selbstinduktion der Stromfluss noch etwas aufrechterhalten. Je schneller die Spannungsänderung erfolgt, desto stärker sind die genannten Selbstinduktionseffekte. Wenn man nun ein ideales Rechtecksignal hat, dann hat dieses unendlich schnelle Rechtflanken, also ändert sich die Spannung an der Spule unendlich schnell (sprungartig). Eine unendlich schnelle Änderung hätte eigentlich in dem Moment einen unendlich hohen Widerstand in diesem Zeitpunkt zur Folge, allerdings wiederum nur für einen unendlich kurzen Zeitpunkt. Daraus dann einen generellen Blindwiderstand ableiten zu wollen, ist nicht sinnvoll.

Bei der Dimensionierung eines Trafos spielen diese Überlegungen aber eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger sind die von Multi-kv bereits angesprochenen Überlegungen zur maximal möglichen Frequenz des Kernmaterials. Eisen- und Eisenpulverkerne sind für tiefe Frequenzen, meist so 50 bis 400Hz, Ferritkerne für Frequenzen im Bereich von einigen kHz bis zu einigen hundert kHz oder bis in den unteren MHz-Bereich.

Die von Dir angesprochenen Resonanzen spielen übrigens auch eine Rolle. Diese entstehen durch parasitären Kapazitäten zwischen den Windungen, oder auch zwischen Wicklungslagen und dem Kern und auch zwischen Wicklungen/Windungen und Aussenwelt. Die erwähnten Kapazitäten sind so klein, dass sie eigentlich nur bei den hochfrequenten Trafos im kHz-Bereich überhaupt zur Geltung kommen. Sie ergeben zusammen mit den Induktivitäten kleinste Schwingkreise, die dann tatsächlich frequenzabhängiges Verhalten aufweisen. Der Trafo reagiert dann teilweise bei bestimmten Festfrequenzen seltsam, liefert überhöhte Spannungen oder, bei HV-Trafos im KHz-Bereich kann es auch vorkommen, dass die Trafos bei bestimmten Frequenzen stark sprühen. Man wird den Trafo normalerweise nicht bei einem solchen Resonanzpunkt betreiben, es sei denn, die Spannungsüberhöhung sei explizit erwünscht. Wenn man auf einem Resonanzpunkt arbeitet, kann man nicht mehr mit dem Übersetzungsverhältnis rechnen, welches sich aus den Windungszahlen ergibt, das ist ein grosser Nachteil.

Beste Grüsse
kilovolt
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