Berechnung von Kühlkörpern

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KiloJoule
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Berechnung von Kühlkörpern

Beitrag von KiloJoule »

Der Titel klingt zwar erstmal banal. Aber bei der Dimensionierung von Kühlkörpern ist mehr zu beachten als viele denken.
Wichtig ist, dass die im Bauteil entstehende Verlustwärme abgeführt wird, ohne dass das Bauteil seine maximal zulässige Betriebstemperatur überschreitet. So weit dürfte das ja noch jedem klar sein.

Es gibt dabei 3 Übergangspunkte für die Wärme. An jedem entsteht eine Temperaturdifferenz.
1. Sperrschicht (der eigentliche Halbleiter) => Halbleiter-Gehäuse
2. Halbleiter-Gehäuse (z.B. der Transistor selbst) => Kühlkörper
3. Kühlkörper => Luft (oder Wasser :D )

Für jeden dieser Übergänge ist der Wärmewiderstand angegeben. Diese Daten sind im Datenblatt des Halbleiters (Punkt 1 und 2) bzw. Kühlkörpers (Punkt 3) zu finden.
Der Wärmewiderstand wird in Kelvin pro Watt (K/W) oder Grad Celsius pro Watt (°C/W) angegeben. Beide Einheiten sind aber identisch. Üblicher ist aber die Schreibweise mit K/W.
Dieser Wärmewiderstand besagt, wie groß die am Wärmeübergang entstehende Temperaturdifferenz pro Watt Leistung ist.
Ein 2N3055-Transistor hat z.B. einen Wärmewiderstand von der Sperrschicht zum Gehäuse von ca. 1,4K/W. Das bedeutet, dass je Watt Verlustleistung die Sperrschicht um 1,4°C wärmer als das Gehäuse wird. Bei 50W Verlustleistung ist somit die Sperrschicht schon um 70°C heißer als das Gehäuse.

Alle drei Wärmewiderstände müssen addiert werden, um den Gesamt-Wärmewiderstand zu erhalten.

Als Beispiel hier mal den populären Mosfet IRFP460:
Wärmewiderstand Sperrschicht => Gehäuse: 0,45K/W
Wärmewiderstand Gehäuse => Kühlkörper: 0,24K/W (mit Wärmeleitpaste)
Das sind zusammen 0,69K/W. Hinzu kommt noch der Wärmewiderstand vom Kühlkörper zur Luft. Ich gehe hier mal von 1K/W aus. Das ist ein typischer Wert für einen mittelgroßen Rippenkühlkörper (so 100*150*20mm) ohne Lüfter.
Ein moderner CPU-Kühler hat übrigens so ca. 0,2 bis 0,4K/W.
Insgesamt hat man im Beispiel dann einen Gesamt-Wärmewiderstand von 1,69K/W.

Jetzt muss man sich überlegen, bis zu welcher Umgebungsluft-Temperatur das Gerät sicher noch nicht überhitzen darf.
Ich nehme jetzt mal 45°C.
Im Datenblatt steht die Temperatur, die die Halbleiter-Sperrschicht maximal erreichen darf, ohne dass es zu Schäden kommt.
Beim IRFP460 sind das 150°C.
Nun bildet man die Differenz aus maximaler Umgebungstemperatur und maximal zulässiger Sperrschichttemperatur.
Hier sind das 150°C - 45°C = 105°C.

Die Sperrschicht darf hier also maximal 105°C wärmer als die Umgebung sein.
Jetzt kommt der vorher berechnete Wärmewiderstand ins Spiel: Wie gesagt, der Wärmewiderstand sagt aus, wie viel Temperaturdifferenz an dem Wärmeübergang je Watt Verlustleistung entsteht.
Um die max. vertretbare Verlustleistung zu erhalten, teilt man die Temperaturdifferenz durch den vorher berechneten Gesamt-Wärmewiderstand:
P = 105°C / (1,69°C/W) = 62,13W
Wie man sieht, kürzen sich die °C weg und es bleiben Watt über, wie sich das gehört.
Es dürfen hier also maximal 62 Watt Verlustleistung am Mosfet entstehen.
Sicherheitshalber sollte man auch noch ein klein wenig unter diesem Wert bleiben.

Vielleicht rettet dieses Tutorial ja den ein oder anderen Halbleiter vor dem Hitzetod :klatsch:
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KiloJoule
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Re: Berechnung von Kühlkörpern

Beitrag von KiloJoule »

Es gibt aber auch noch einen anderen Fall, für den man den Kühlkörper auch berechnen kann: Man kennt die Verlustleistung und will den nötigen Wärmewiderstand des Kühlkörpers bestimmen.
Die Daten für meine Beispielrechnung sind wie in meinem ersten Beitrag: Ein IRFP460-Mosfet, max. 45°C Umgebungstemperatur.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Mosfet 50 Watt Verlustleistung erzeugt.
Erst einmal berechnet man den Gesamt-Wärmewiderstand des Mosfets, in dem man den Wärmewiderstand Sperrschicht => Gehäuse und den von Gehäuse => Kühlkörper addiert.
Hier sind das 0,45K/W + 0,24K/W = 0,69K/W
Dann braucht man auch hier die Temperatur, um die sie Sperrschicht maximal heißer als die Umgebung sein darf.
Der IRFP460 verträgt max. 150°C Sperrschicht-Temperatur. Die max. Umgebungstemperatur sind hier im Beispiel 45°C.
Das ergibt eine Differenz von 150°C - 45°C = 105°C.

Der Wärmewiderstand hat ja die Einheit "Kelvin pro Watt", also allgemein "Temperatur(differenz) geteilt durch Leistung".
Für den maximalen Gesamt-Wärmewiderstand ergibt sich also (Rth steht hier für "Wärmewiderstand"):
Rth = 105°C / 50W = 2,1°C/W
Der maximale Gesamtwärmewiderstand ist also 2,1°C pro Watt (bzw. 2,1K/W; die Einheiten sind ja gleichwertig)
Hiervon muss aber noch der Wärmewiderstand des Halbleiters abgezogen werden, um den nötigen Wärmewiderstand des Kühlkörpers (hier "Rth_K") zu erhalten:
Rth_K = 2,1 K/W - 0,69 K/W = 1,41 K/W

Der Kühlkörper darf hier also einen maximalen Wärmewiderstand von 1,41K/W haben.
Man sollte ihn aber sicherheitshalber immer etwas überdimensionieren (also geringerer Wärmewiderstand). Etwa 1,2K/W wären hier vermutlich ein sinnvoller Wert.

-- Evtl. folgt noch mal eine Fortsetzung...
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