Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

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Lichtbogen
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Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Lichtbogen »

Da ich in wenigen Wochen meinen Bachelorabschluss am Bodensee mache werde ich zunehmend mit dem Thema "Beruf" konfrontiert.
Ich dachte mir eigentlich weiter zu studieren (Master), aber jetzt habe ich etwas anderes vor:

Ich gehe auf Jobsuche und bewerbe ich für den Master Wintersemester 2017/18! Wenn ich einen guten Job finde, dann ziehe ich die Bewerbung für das Studium zurück. Wenn ich keinen guten Job finde, drücke ich die Hochschulbank.

Ein "guter Job" für mich in Zeiten vom Endstadium des Kapitalismus ist ein gut bezahlter Job. Von nettem "pi pa po" und sonstigen sozialem Dingsbums in einem Job kann ich weder Lebensunterhalt noch Miete bezahlen.
Daher zählen für mich: Art der Stelle und das Gehalt.

Meine Recherchen zu folge werde ich vermutlich mit 44000€ pro Jahr einsteigen können (so viel zahlt z.B. ZF Friedrichshafen)
Wenn ich Glück habe, komme ich nach 3 Jahren auf 60000€.

Erste Frage: ist ein solcher Gehaltsanstieg auf 60k€ realistisch?


Jedenfalls kam die erste Ernüchterung, nach dem ersten Gehalts-Netto-Rechner:
bei 44k€ pro Jahr, also 3750€ pro Monat bleiben nach Abzug sämtlicher Versicherungen/Sozialbeiträge/Steuern karge 2200€ pro Monat.
In Friedrichshafen kostet eine Wohnung 700€, gute Lebensmittel etwa 500€.
Jetzt kommen noch weitere Zwangsabgaben wie GEZ und schon landen wir bei unter 1000€ welche für weitere Ausgaben reichen müssen.
Es folgen Telefon/Internet mit 40€, das Auto....

Wahrscheinlich bleiben dann vom Bruttogehalt etwa 300-500€ pro Monat übrig, und damit kann man sparen. Lange sparen...

Gut, aller Anfang ist schwer.
Nach etwa 10 Jahren verdient man dann vielleicht 70€ Brutto.
Aber selbst dann bleiben nur rund 1000€ mehr Netto übrig, was ich ehrlich gesagt wenig motivierend finde.
Wie lange soll man denn für das Eigenheim sparen? Wenn nach allen Hobbies 1000€ pro Monat übrig bleiben braucht man 8 Jahre für eine lächerliche Summe von 100k€, welche nicht einmal für momentan eine 1-Zimmer-Wohnung reicht :/

Gibt es bei meinen pessimistischen Annahmen fundamentale Fehler?

Ich erinnere mich an eine Aussage eines Profs der uns motivieren wollte:
Es ging darum, wie wichtig es ist, so früh wie möglich das Studium abzuschließen und nicht ein Semester beispielsweise wegen eines dummen Scheines länger zu studieren.
Er sagte eigentlich nur: Ein Semester sind 6 Monate. Ihr verpasst also ein halbes Jahresgehalt wegen eines Scheines. Für 20 000€ habt ihr gefaulenzt.

Dem Prof würde ich am liebsten eine :wotan:


Sieht es wirklich so düster aus speziell hier im Süden?
Wenn ja, dann arbeite ich nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Zürich ist 45 Minuten mit dem Zug entfernt und zeitlich näher als Friedrichshafen. Als Grenzgänger kann man wie Krösus leben und von den deutschen Preisen - MwSt. bis zur Bagatellgrenze von einigen 100 Franken pro EInkauf (Grüne Zettel) profitieren.

Ich hätte keine Schuldgefühle Deutschland zu verraten und als kostenlos ausgebildeter Ingenieur in der Schweiz zu arbeiten.(Vor allem dann, wenn ein Kommilitone von der Uni ein Einstiegsgehalt in der Schweiz von 80kSFR erhält.)
Mein Vetter ist ein Jahr älter als ich, lebt in der Schweiz und würde mich auslachen für mein Gehalt in Deutschland als Ingenieur.
Wenn jemand darauf besteht, dass eine Person mehr in seine Rentenkasse einzahlt, wäre dies der Zeitpunkt Argumente zu bringen ;)
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kilovolt
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von kilovolt »

Hallo Lichtbogen

Für 80000 Fr. würde in der Schweiz ein Ingenieur ziemlich sicher nicht einmal einsteigen. Ich würde für den Einstieg als Ingenieur etwa 100000 bis 120000 Fr. sehen, später je nach Funktion etwa 120000 bis 150000. Du hättest evt. gute Chancen in der Schweiz, weil wir tendenziell zuwenige Ingenieure haben. ABER: Schau Dir mal unsere Lebenshaltungskosten an, dann weisst Du auch, warum das so sein muss ;-) Bei uns kostet das meiste massiv mehr als bei Euch in D. Oftmals kann ich trotz teurem Porto und Zollkosten noch immer günstiger in D bestellen als in der Schweiz ohne all diese Nebenkosten. Alleine die Krankenkasse kann schon gegen 10% des Lohnes schlucken. Von den Mieten in den Städten will ich mal gar nicht anfangen...

EDIT: Tatsache ist aber auch, dass in der Schweizer Politik in letzter Zeit viel über Pro und Kontra von ausländischen Arbeitskräften diskutiert wird. Gut möglich, dass es als Ausländer bald schwierig oder unattraktiv werden dürfte, in der CH zu arbeiten. Viele Schweizer sehen die Grenzgänger nicht so gerne, weil sie denken, dass diese ihnen die Jobs streitig machen wollen ;-)

Gruss kilovolt
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alpin
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von alpin »

Also ganz kurz und knapp: Deine Überschlagsrechnung stimmt schon soweit.

Wenn du mit 40000 anfangen würdest, hast du als BA schon einen recht guten Start auf Deutschland bezogen. Im Süden, wo das Gehaltsniveau noch etwas höher liegt, passt das schon. Je nach Unternehmen ist es durchaus möglich, auf die 60k zu kommen, die Frage ist immer: Zu welchem Preis.

In großen Unternehmen ist die Gehaltsstruktur eh quasi zementiert. Dort große Sprünge zu machen, die außerhalb des Durchschnitts sind, ist eher schwer. Um Geld zu machen eignen sich eher die kleinen Unternehmen, die einen eventuellen Gewinn dann auch direkt ausschütten können. Dann kommen aber ganz andere Verpflichtungen und Verantwortungen auf einen zu. Es gibt also eine ganz einfache Rechnung. Je Geld, desto weniger gilt die Wochenstundenzahl ;-). Aber ja, der Bereich 40k - 60k ist durchaus realistisch - nur wir die Steigerung nicht so weitergehen...

Und ja, auch deine Ernüchterung ist grob realistisch - das ist eins der Probleme eines Studiums. Man fängt halt erst Mitte 25 - 30 mit dem Verdienen an. Jemand, der bereits 10 Jahre mit 1400 - 1800€ nach Hause gekommen ist, hat also schon massiv mehr in er Summe verdient. Das Geld ist so gesehen weg, das hat dein Studium eben indirekt "gekostet". Die Belohnung dafür ist dann eben, dass man im Monat mal 500 - 1000€ mehr im späteren Leben hat, was wiederum sehr viel wert ist. Bis das Ganze aber eine Nullsumme geworden ist, dauert das...
Ja, man kann von 500€ im Monat leben, aber wenn man sich einen gewissen Standard erhalten möchte (und wenn es nur eine 4,5 statt 3,5 Zimmer-Wohnung ist, damit das Bastelzimmer reinpasst) sind 1000-1500€ Ausgaben pro Monat durchaus real - zumindest wenn man grundlegende Kosten übers Jahr reinmittelt, etwa Fahrzeugwertverfall und sowas. In der Regel werden die ersten Jahre nochmal deutlich teurer, weil dann ganz viel angeschafft wird, was eben irgendwie zum Leben gebraucht wird, ein neues Sofa, ein neuer Schrank, neues Werkzeug, Kühlschrank ... was auch immer.

Ein bisschen relativiert sich das, wenn man auch mal zwei Verdiener in einem Haus hat, da die Fixkosten dann ja quasi halbiert werden. Und ja, auch ein Haus kauft man nicht mal eben aus der Portokasse nach einem Jahr sparen - das ist halt so. Auch hier startet man als Exstudent eben später in die Abzahljahre.

Also: Nein, du bist nicht zu pessimistisch, so ist halt das Leben :-). - Ponyhof und so *n Euro ins Phrasenschwein werf*
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Dr.Fakk
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Dr.Fakk »

Ich mit ein paar Jahren mehr auf der Scheibe kann da nur zustimmen.

Die goldenen Zeiten sind längst vorbei, Deutschland liegt lohnmäßig ziemlich hinten,
einem jungen Kerl rate ich daher, genieße dein Leben in vollen Zügen, arbeite um zu Leben, biete den Ausbeutern die Stirn.
Wenn deine Gesundheit im A... ist interessiert es die Firma, für die du sie ruiniert hast einen Scheiß
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kilovolt
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von kilovolt »

Lichtbogen, ich möchte Dir gerne noch was anderes zu bedenken geben: Wenn ich als Arbeitgeber merken würde, dass es Dir nur um die Kohle geht, würde ich Dich nicht einstellen (und glaub mir, sowas merkt man turboschnell). Es ist zwar schon klar, dass das Gehalt eine wichtige Rolle spielt, aber Leute, die nur für den Zapfen arbeiten, machen meist einen eher schlechten Job, schauen nur auf ihren eigenen Vorteil und vergiften unter Umständen auch das Arbeitsklima generell. Zudem würde ich mir mal ernsthaft Gedanken darüber machen, wie lange Du im Arbeitsumfeld stehen wirst und würde mir das Nestchen deshalb möglichst weich betten. Mit einem guten Arbeitgeber und einer interessanten Arbeit hast Du mehr gewonnen als mit dem Gehalt selber, denn was hast Du davon, wenn Du jeden Tag todunglücklich zur Arbeit gehst und Deine 8 oder 9 Stunden absitzt, dafür aber ne Menge Knete hast? Ich bin nun knapp über 40 und habe schon mehr als 20 Jahre Arbeitsumfeld erlebt bei unterschiedlichen Stellen. Eines ist mir klar geworden: Man muss sich selber motivieren können, sonst kommt man nie weiter. An meiner jetzigen Arbeitsstelle habe ich immer mehr geboten, als erwartet wurde, hab vieles besser gemacht als gefordert, mich für die Sache interessiert und hab auch diverses angepackt, was mein Vorgänger nie durchgezogen hat. Der Lohn beträgt nun nach 14 Jahren fast das Doppelte vom Anfangslohn. Noch wichtiger ist aber, der Chef weiss, warum er mich damals eingestellt hat und das soll auch so bleiben, denn es schafft Sicherheit auf beiden Seiten. Gerade wenn Du mal ne Family hast, möchtest Du möglichst viel Sicherheit und genau das möchte eben Dein Chef für seine Firma auch ;-)

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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Lichtbogen »

Vielen Dank für den weitreichenden Einblick Eurer Ratschläge.

Ja Lebenserhaltungskosten in der Schweiz mögen höher sein.
Aber eine 50m² Wohnung (wenn man mal einebekommen könnte) hier in Konstanz kostet zur Miete 800€.
In Kreuzligen ist da die Miete eigentlich gleich hoch (zumindest nicht viel teurer).
Ich will jetzt keine genaue Kostenkalkulationen machen, aber ich habe das Gefühl, dass man in der Schweiz meinetwegen monatlich 2000€ mehr Kosten hat (als hier in Konstanz) um zu Leben, aber das Gehalt dann eher 4000€ (pro Monat) höher zu sein scheint.

Ein weiterer Vetter hat es vor 12 Jahren direkt in der Schweiz versucht und geschafft.
Ich muss schon sagen, dass er fürstlich lebt.


Zu der Sache mit mit dem "nur nach Geld ausschauen".
Klar, da stimme ich zu. Ich würde auch keinen einstellen (falls ich in dieser Position wäre) der gleich zum nächsten geht, wenn dieser etwas mehr zahlen würde.
Andererseits:
Wir alle wissen doch eigentlich was (fast) jedes Unternehmen macht (oder es zumindest anstrebt). Nämlich versuchen so viel Gewinn wie möglich zu erzielen. Und das geschieht mehr oder weniger in einem Ausmaß welches ich hier gerne mit einem fäkalartigen Kraftausdruck bezeichnen würde.

Ich finde es daher nicht verwerflich wenn man als Arbeitnehmer schärfer auf das Gehalt schaut.

Alleine schon die Tatsache, dass man im Vorstellungsgespräch nach der Gehaltsvorstellung gefragt wird (und man dadurch unweigerlich in die Bredouille gerät: "Wenn ich zu viel verlange, nimmt er vermutlich jemanden der weniger wollte" ) zeigt, dass hier ein Ungleichgewicht herrscht.

Bei allem Respekt kilovolt, und ich halte wirklich viel von Dir, aber wenn es ums Geld geht, sollte auch der Bewerber/Angestellte stets Zähne zeigen dürfen, und es notfalls auch tun. Sonst kommt es zu noch mehr Ungleichgewicht.

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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von playOvation »

Ich habe den "Absprung" letztens auch gewagt. Als B. Sc. von der Uni...

Klar, das Geld lockt. Als Master hat man eben mindestens 2 Jahre kein Einkommen, da kommt man ja schonmal ins Rechnen.
Andererseits hat ein Master viel höhere Aufstiegschancen, wenn er/sie mal fertig ist - so die einhellige Meinung.
Man weiß aber nie, was in ein paar Monaten oder Jahren ist, daher meine Entscheidung für "lieber früher als später".
Einen Haken hat die Sache aber: wer nicht gerade bei Leihfirmen o.ä. mit einem Gehalt unter Deck anfangen will/kann,
der/die kann es ziemlich schwer haben. Klar, in manchen Situationen besser als nichts, aber keines Studiums würdig :|

Dank Vitamin B ist mir das erspart geblieben und ich habe den Einstieg im Nicht-EU-Ausland erfolgreich geschafft.
Es ist zwar nicht alles besser als in Deutschland, das vergessen viele, wenn sie sagen "Deutschland ist sch...., ich geh' nach Thailand",
doch die ewigen Nörgler bin ich los und mir ist nie kalt :D Sowas kann auch kein Gehalt erkaufen!

Zu letzterem Stichwort: es ist ein weites Feld. Es wird zu wenig gezahlt, weil sich viele ihres Marktwerts nicht bewusst sind
oder einfach keine andere Wahl haben ("sonst nehmen die einen anderen"). Miete muss man zahlen, Auto auch.
Also muss man arbeiten. Später kann man sich ja immernoch hocharbeiten, so der Gedanke... Nicht gut :oops:
Aber dass der rational denkende Personaler für dieselbe Arbeit ein paar Hunderter mehr im Monat "verschenkt"...?

Um es mit den weisen Worten eines deutschen Privatsenders zu sagen: Jeder ist sein eigener Schmied.
Es gibt Jobs, mit denen kann man nach wenigen Jahren Haus und Yacht kaufen, ist aber irgendwann einfach kaputt.
Andere Jobs machen das vielleicht nicht so schnell möglich, dafür ist das restliche Leben lebenswert.
Auch wenn es blöd klingt: manchmal ist Gehalt eben "Schmerzensgeld".

MfG
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kilovolt
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von kilovolt »

Hallo Lichtbogen

unter seinem Wert verkaufen sollte man sich nicht, das ist völlig richtig. Heutzutage ist aber leider oft genau das Gegenteil der Fall. Gerne kann ich Dir mal meine Sicht etwas schildern. Natürlich darf das nicht verallgemeinert werden, aber es kommt eben auch oft vor. Deshalb, wie ich schon sagte, wenn einer nur auf die Kohle schaut, wäre dies das Alarmzeichen "Rot" für mich.

Oft habe ich schon feststellen müssen, dass Leute, die sich "Ingenieur" schimpfen, einfach nicht das bringen, was sie eigentlich können sollten. Sie sind zuwenig selbstständig, sind auf ein enges Studiums-Kästchen-Theoriedenken reduziert und wissen manchmal echt auf die einfachsten Problemstellungen keinen Lösungsansatz, teilweise sind sie richtig hilflos da draussen in der Industrie und man fragt sich ernsthaft, was diese Leute denn die ganzen Jahre überhaupt gelernt haben oder ob es nur um schnelle Noten ging und dann alles wieder vergessen wurde. Gleichzeitig kommen sie dann aber mit einem völlig überzogenen Selbstbild daher und überschätzen sich massiv. Dabei vergessen sie dann völlig, dass ihr Studium nur ein erstes Mosaiksteinchen für die ganze weitere Laufbahn über die nächsten 40 Jahre ist. Das Studium war eigentlich nur das Eintrittsticket für einen interessanten Job. Wenn der Job dann beginnt, müssen sie nochmals vieles komplett von vorne lernen und erarbeiten, massgeschneidert für die jeweils geforderte Praxis. Es ist manchmal lustig, zu sehen, wie sie dann zuerst versuchen, mit ihren Hochschul-Strategien Lösungen zu erarbeiten und dann plötzlich klar wird, dass in der Praxis fast nur Erfahrung wirklich zählt ;-) und plötzlich verstehen diese jungen Ingenieure dann, dass die Industrie nicht unbedingt auf sie gewartet hat und man daher zwar schon ein gewisses Lohnniveau fordern kann, aber der Arbeitgeber entscheidet letztendlich, ob es ihm das wirklich wert ist, denn er weiss, dass er diese Person trotz Studium zuerst aufwendig einarbeiten muss und ihn das alleine schon ne Menge kostet.

Bitte versteh mich nicht falsch: Das alles ist nicht direkt auf Dich gemünzt, ich kenne Dich ja nicht. Es ist lediglich eine Erfahrung aus meiner Sicht, wie das manchmal auch noch so aussehen kann. Es gibt natürlich immer auch extrem gute Leute direkt ab Studium, nur sagt eben das Diplom alleine darüber noch nicht viel aus und wenn jemand stark fordernd daherkommt, dann würde ich zumindest hellhörig, denn es deutet darauf hin, dass derjenige evt. seine Fähigkeiten unrealistisch einschätzt.

Beste Grüsse
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alpin
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von alpin »

Signed.

Ich stelle aktuell deutlich lieber Studenten an, die irgendwas basteln können, als die, die gute Noten haben. Das liegt aber am Anwendungsfall. Theoretiker und Matheliebhaber braucht es auch, ohne jemanden auf den Schlips zu treten. Aber ein Master, der mit einem ohmschen Spannungsteiler überfordert ist... was soll ich damit in der ETechnik? Und nein, das ist kein(!) Scherz. Vielleicht wissen diejenigen dann, wie man Wanderwellen auf einer unendlich langen Leitung berechnet, aber die Frage, ob man nun das 10m BNC-Kabel zur Messung von xyz verwenden darf, oder ob es doch nur 1m sein darf, kommt dann im Denkkosmos nicht vor.

Oder: Ich habe Masteranden gehabt, die in ein Labor kommen und mich völlig ernsthaft "Was ist das denn?" fragen. Das Objekt der Frage war.... ein Lötkolben.... Wenn sich solche Menschen - egal mit welcher Abschlussnote - dann als Entwickler oder sowas bewerben und 50k Einstiegsgehalt fordern... Ahjahjhay...
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kilovolt
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von kilovolt »

Uiuiui, alpin, einen solch krassen Fall wie der von Dir geschilderte mit dem Lötkolben, ist mir noch nicht untergekommen, aber ehrlich gesagt, es wundert mich gar nicht so sehr. Man erlebt schon einiges ;-)

Was ich noch anmerken wollte, damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich selber bin kein Arbeitgeber, sondern gewöhnlicher Arbeitnehmer. Wenn jedoch jemand neues in der Technik eingestellt wird, fragt mich der Chef nach meiner Meinung, welchen Kandidaten wir ggf. einstellen sollen, da er (der Chef) technisch nicht mehr so stark involviert ist.

Beste Grüsse
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Dr.Fakk
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Dr.Fakk »

@playOvation- wohl gesprochen :)

Gerade in der heutigen Zeit sind Arbeitskräfte mehr eine Ware, denn Menschen- Human Resorces sagt schon alles.

Da sollten einige mal aus ihrer Blase raus ;)
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Bastl_r
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Bastl_r »

alpin hat geschrieben: Oder: Ich habe Masteranden gehabt, die in ein Labor kommen und mich völlig ernsthaft "Was ist das denn?" fragen. Das Objekt der Frage war.... ein Lötkolben.... Wenn sich solche Menschen - egal mit welcher Abschlussnote - dann als Entwickler oder sowas bewerben und 50k Einstiegsgehalt fordern... Ahjahjhay...
Wundert mich irgendwie nicht. Meine Tochter forderte mich mal wegen Starthilfe an. Ersatzbatterie ins Auto gepackt, das verfrickelte Überbrückungskabel(Nur auf einer Seite Stromzangen, auf der anderen lediglich Kabelschuhe.
Mein Töchterchen Instruiert welche Klemme auf welchen Batteriepol an ihrem Auto kommt und die Kabelschuhe mit den Daumen auf die Batteriepole der Ersatzbatterie gepresst. Da schaut mich einer ihrer Mitfahrer(frisch gebackener Abiturient) entgeistert an und fragt doch tatsächlich: Gibt das keinen Kurzschluß" :facepalm:
Schon vor diesem Hintergrund bewundere ich die ganzen Frickler hier und im Fingerforum die es strommäßig draufhaben.
Ich selber hab "meinen" Beruf gefunden. Mit super Bezahlung als Elektroinstandhalter in der Autoindustrie. Da würde sich wohl jeder Bachelor die Finger nach dem Gehalt schlecken. Bin aber auch inklusive Ausbildung schon fast 40 Jahre dabei.
Ich denke mal in der Chemiebranche dürfte mit den Zahltagen es ähnlich aussehen.

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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Lichtbogen »

Dat wird nichts mit Deutschland und mir:/
Kaum zu fassen was sich hier als Alltag eingenistet hat. Mein Verwandter diplomiert nun in Deutschland in einem Unternehmen. Es trennt ihn quasi nur eine Formalität vom Abschluss. Die Stelle ist auf einen Niveau, die eigentlich für die fest angestellten geeignet wäre. Und dann zahlt man nur 800€ Gehalt und dies wird noch besteuert.
Tja, sieht wohl düster aus.

Tausche deutschen Pass gegen schweitzer Pass, wer will?
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kilovolt
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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von kilovolt »

Hallo Lichtbogen

ich möchte Dir ja nicht zu nahe treten, aber bevor Du den Schweizer Pass beantragst, solltest Du wissen, dass man "Schweiz" nicht mit "tz" schreibt ;-)

Im Ernst jetzt, man sollte sich einfach im Klaren darüber sein, dass auch hierzulande nur mit Wasser gekocht wird und man sich seinen Lebensunterhalt auch bitter verdienen muss. Die Lebenshaltungskosten sind zudem nicht zu vergleichen mit denen von Deutschland. Die Lohnzahlen, von denen ich gesprochen habe, sind ausserdem Bruttolöhne, da kommen diverse Abzüge. Bei uns kostet auch die gesetzlich obligatorische Krankenkasse separat, sofern ich mich richtig erinnere, wird diese bei Euch in Deutschland direkt vom Lohn abgezogen, stimmt das?

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Re: Gehalt Elektro-u. Informationstechnik

Beitrag von Bastl_r »

Servus
Bei uns kostet auch die gesetzlich obligatorische Krankenkasse separat, sofern ich mich richtig erinnere, wird diese bei Euch in Deutschland direkt vom Lohn abgezogen, stimmt das?
Die Krankenkassenbeiträge gehen von den beispielhaft genannten 50k auch noch weg. Zur Zeit die Hälfte von 15,5% + geringem Zuschlag.

bastl_r
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